Seit Mitte Oktober 2022 ist unsere PV-Anlage in Betrieb. Ich möchte hier meine Erfahrungen mit unserer doch etwas ungewöhnlichen Dachbelegung berichten und anderen, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen, das Ergebnis zeigen.
Nachdem im Frühsommer 2022 unzählige Anfragen bei PV-Fachbetrieben ungehört verhallten kam doch noch ein Anbieter gnädiger Weise zu uns, trank unseren teuren Espresso, blickte kurz aufs Dach und sagte: "Des Doch is oarsch." Er werde mit seinem Dachdecker-Kollegen sprechen. Das war das letzte was wir von ihm hörten.
Es zeichnete sich ab, dass die Sache schwierig wird.
Auf Empfehlung eines Berufskollegen kontaktierte ich dann ohne viel Hoffnung einen weiter entfernten Betrieb, der die beiden Gewerke Elektrotechnik und Dachdeckerei in einer Firma führte. Das klang gut, der jung-dynamische Inhaber legte uns ein Angebot und eine wirklich unfassbare Handwerker-Odyssee begann für uns …
Das Haus ist juristisch ein Reihenhaus in der Optik einer L-förmigen Doppelhaushälfte, 20 km südlich von Wien gelegen. Das verwinkelte Walmdach des Hauses mit 150 m2 ist durch zwei Dachflächenfenster, zwei Feuchtraumentlüfter und einem Rauchfang mit Außentreppe ziemlich zerklüftet und mit 45° recht steil. Die Deckung des Warmdachs ist in Eternit Rhombus-Schindeln mit Schneehaken ausgeführt, alles 25 Jahre alt. Die Dachuntersicht komplett verkleidet und durch gekoppelte Bauweise sind Sicherheitsabstände einzuhalten.
Neben den Randproblemen wie veralteter E-Installation, Zähler im Zählerblock vor dem Haus und einem übervollen Sicherungskasten gab es fast keine Einschränkungen — außer den damals üblichen Verknappungsproblemen überall. Wie man an dem Screenshot von Google Maps sieht sind alle Dachflächen klein und schief, nur ausgerechnet die Nordseite ist vergleichsweise üppig groß und wenig gestört.
Nach dem ersten Vorschlag "… wir machen ungefähr 10 Module auf Süd und West, genaueres sehen wir dann bei der Montage …" grübelte ich, ob das überhaupt den Aufwand wert sei. Aber da ist ja noch diese Ost-Seite. "Kann man machen, bringt halt nicht viel, vielleicht nochmal 5 Module." Aha.
Wie das mit nur einem Wechselrichter funktioniere? "Das machen wir schon." Wollen Sie mir das erklären, wie? Keine Antwort, dafür hat ein Handwerker nämlich keine Zeit. Spätestens jetzt hatte ich so meine Zweifel an diesem Fachbetrieb. Aber wir hatten keine einzige Alternative.
Ich begann mich zum Selbstschutz mehr und mehr mit der Materie zu beschäftigen und lernte alles auswendig, was ich an passenden Informationen erhalten konnte. Und stolperte bei meinen Recherchen u.a. über das Thema "PV-Module auf dem Norddach" und die tolle Simulations-Website PVGIS:
JRC Photovoltaic Geographical Information System (PVGIS) - European Commission
Und wie ich so hin und her überlege und zu dem Schluss komme, dass es sowieso zwei Wechselrichter für Süd, West und Ost werden würden, erkenne ich, dass da ja ein vierter Stringanschluss vorhanden und damit günstig möglich wäre: die Nordseite, wo im Endeffekt 16 Module hinpassten.
Nach längerem Hin und Her war der Solateur dann auch einsichtig, ein Montagetermin kam zustande, über die Wirren dieses Vorhabens, seine Ausführungsqualität, die Nachbesserungen und den Streit darum breite ich lieber den Mantel des Schweigens. Wie sich herausstellte waren wir in so mancher Hinsicht seine erste Baustelle mit Fronius-Wechselrichter und BYD-Batterie ("… ach so sieht die aus!") und so ein Dach hatte er — zum Glück — auch noch nie belegen müssen. Sonst hätte er sicher auch gleich abgesagt wie alle anderen Marktbegleiter auch …
Zurück zum Thema. Ich möchte hier meine Erfahrungen mit dieser etwas ungewöhnlichen Dachbelegung berichten.
PVGIS zeigt, dass die 45° steile Nord-Seite, also eigentlich eine Nord-Nord-West-Dachfläche, gut 50% des Jahresertrages einer perfekten Süd-Fläche bringt. Das klingt ja nicht so übel.
Vor allem wenn man bedenkt, dass bis auf die Module und deren Montage alle anderen Arbeiten sowieso anfallen. Dann noch die größte Fläche am Stück, also zurückgerechnet pro Modul am günstigsten. Man kann sich alles schönrechnen.
Bei genauerem Studium der Tageserträge stellt sich dann aber schon eine gewisse Nachdenklichkeit ein: Fast das halbe Jahr lang schafft es die Sonne nicht über den First und die Module der Nordseite bekommen daher nur diffuses Licht ab, was weit geringere Leistung bringt. — Also sinnlos, diese Geldausgabe.
Oder doch nicht? Was ist die Zielsetzung, frage ich mich?
Autarkie. Wenig Strom kaufen müssen um nicht mehr die durch die Merit Order "verrückten" Strompreise bezahlen zu müssen. Und vielleicht mit Batterie und Notstrom-Umschalter ("Full Backup") auch durch schwere Krisen mit brennendem Licht hindurchzukommen.
Okay, wann ist denn Strom Mangelware? Wenn das Wetter schlecht ist.
Das Wetter ist besonders oft an kurzen Spätherbst- und Wintertagen schlecht. Und wenn das Wetter schlecht ist, dann gibt es auch auf der Südseite keine großen Erträge, die Sonne ist hinter den Wolken, diese streuen das Licht, sodass es keine Schatten gibt.
Und in diesem Moment ist die so schlecht beleumundete Nordseite genau gleich gut (oder schlecht) wie die ach so tolle Südseite. Es zählt einfach nur die Anzahl der PV-Module, nichts sonst. Sogar der Winkel ist egal, steil hat ja auch Vorteile, bessere Selbstreinigung, Schnee rutscht ab, diese Dinge.
Und genau so ist die Praxis: An den Regen- und Hochnebeltagen liefert die Nordseite fast denselben Modulertrag wie alle anderen Seiten, der Verzicht auf diese 16 Module von insgesamt 35 Stück wäre schmerzhaft. Und durch die "Rundumbelegung" des Daches gibt es keine extreme Mittags-Leistungsspitze, dafür aber verwertbar viel Strom direkt von Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang.
Im Zusammenspiel mit der PV-Batterie mit 10 kWh kaufen wir nun von Februar bis November keinen nennenswerten Strom mehr, im Dezember mit dem vielen Backen, Kochen, Wäschewaschen und -trocknen doch rund 180 kWh und im ruhigeren Jänner noch 100 kWh, bei einem Stromverbrauch von insgesamt gut 400 bzw. 350 kWh im Monat. Das ist eine Autarkie von 50 bzw. 70%, der Rest des Jahres liegt bei annähernd 100%.
Ohne die großflächig belegte Nordseite des Daches würde die Sache an den vielen schwächeren Tagen der Übergangszeit nicht ohne Strombezug funktionieren.
Blau ist in diesem Diagramm der Ertrag der 6 Module nach Ost-Nord-Ost und der 16 Module nach Nord-Nord-West dargestellt, in Grün sieht man die 6 Module nach Süd-Süd-Ost und die 7 nach West-Süd-West im oft bewölkten April 2024. — Man beachte besonders die schwächeren Tage.
Und hier das Diagramm des sonnigen Monats Jänner 2024, da sieht das nicht ganz so vorteilhaft aus. Ist aber auch kein Problem, da bei klarem Wetter Süd und West ja relativ viel liefern. Aber bitte die absolute Größenordnung betrachten! Der Tagesverbrauch liegt grob bei 12 bis 16 kWh.
Hat es sich gelohnt? Na ja, Geld kann man damit keines verdienen.
Aber Unabhängigkeit gewinnen und das zum überschaubaren Aufpreis "wenn man gerade schon dabei ist", das geht sich aus. Extra nur für die Nordseite würde ich keinen Solateur beauftragen oder einen eigenen Wechselrichter kaufen.
Was man auch an den Balkendiagrammen ablesen kann: Es gibt einzelne Tage, da geht gar nichts. Mit und ohne Norddach-Belegung. So tiefschwarze Regenwolken sind aber ebenso selten und "tragische Einzelfälle" wie schneebedeckte PV-Module in tieferen Lagen, das darf einen nicht abhalten. Unser Minimal-Rekord war 1 kWh am Tag vom ganzen Dach …
Vielleicht motiviert dieser Bericht den einen oder anderen Dachbesitzer, der an Machbarkeit und Sinnhaftigkeit einer eigenen PV-Installation zweifelt.